Mit mir nicht, meine Herren!

This time German only and even about politics!

…oder warum der Entwurf zum Grundsatzprogramm der AfD für mich als Frau keine Alternative ist.

Heute keine Mode, denn mir stösst seit Wochen der Entwurf des Grundsatzprogramms der AfD sauer auf. Ich finde die anderen programmatischen Teile noch schlimm genug, Aber wenn die Emma anscheinend mehr Angst vor dem Islam hat, als ein wachsames Auge darauf, wer uns als Menschen, als Frauen in diesem Land noch nachhaltig die Rechte beschneiden möchte, werde ich wütend und bekomme auch ein wenig Angst.

Ich mag die Moder der 1950ger Jahre, den Stil – aber um Himmels willen nicht die Rolle der Frau. Ich sehne mich nicht in Zeiten zurück in denen der eigene Mann ungefragt die eigene Stelle (wenn frau denn eine hatte) kündigen durfte, das Konto auflösen konnte, von Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe ganz zu schweigen.

Und dann 2016 kommt ein Grundsatzprogramm der AfD in die Diskussion, das mir die Sprache verschlägt. Rechte Parteiprogramme lesen ist etwas, das mir nicht wirklich Freude bereitet. Outfitposts machen wesentlich mehr Spass – aber watt mutt datt mutt.

Aus dem ersten Entwurf, vom 26.02.2016 in Rot.
Dagegen die Vorlage für das Grundsatzprogramm in blau.

Dazwischen lagen nur wenige Wochen. Vieles, dass die Wellen besonders hochschlagen liess wurde umformuliert und gestrichen. Wer damit verarscht werden soll ist klar – der Wähler. Zumindest die wenigen, die sich den Kram durchlesen, das sind leider erschreckend wenige. Da wird monatelang abgestimmt, Dinge in Wahlprogramme der einzelnen Länder aufgenommen (übrigens, dafür haben ganze Landesverbände positiv gestimmt, sonst wäre es nicht drin) und eine Kommission gebildet und poooof – wir nehmen da mal was raus. Die Krux ist, das meiste, das rausgeflogen ist, kann jederzeit wieder rein und an vielen Stellen wurde sich auch nicht dagegen positioniert. Die klassische Kunst der Unterlassung.

Jetzt aber aus den Quellen (zur Erinnerung: rot erster Entwurf, blau am Wochenende abzustimmende Fassung). Frauen bereitet Euch vor:

„muss vor allem die Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung durch eine effektive familien‐ und kinderfreundliche Politik erhöht werden.“ Einheimische Bevölkerung, aha. Deswegen fordert Madame Petry auch drei Kinder pro (deutscher) Frau damit das Volk nicht schrumpft – klingt irgendwie nach 1933, oder?

„Staatliche Institutionen wie Krippen, Ganztagsschulen, Jugendämter und Familiengerichte greifen zu sehr in das Erziehungrecht der Eltern ein. Gender Mainstreaming und die generelle Betonung der Individualität untergraben die Familie als wertegebende gesellschaftliche Grundeinheit.“ Jaja, Pappa weiss am besten was gut für sein kleines Mädchen ist, oder auch für die Jungs. Bloss nicht auffallen. Dabei wird an anderer Stelle eigenständiges Denken gefordert (aber nur so lange es heteronormativ ist).

Wohaaaa – das ist keine Wende – das ist schon eine Patenthalse, verzeiht die nautische Metapher:
„Wer unverschuldet in diese Situation (alleinerziehend) geraten ist, verdient selbstverständlich unser Mitgefühl und die Unterstützung der Solidargemeinschaft. Eine staatliche Finanzierung des selbstgewählten Lebensmodells „Alleinerziehend“ lehnen wir jedoch ab.“ Liest sich für mich wie: Schlampe, ALGII ist nichts für dich. „Schön“ wird das in Kombination mit: „Schwerwiegendes Fehlverhalten, welches sich gegen die eheliche Solidarität richtet, muss bei den Scheidungsfolgen berücksichtigt werden.“ Erinnert sich wer an das alte Scheidungsrecht und Familienrecht, das 1976 novelliert wurde? Da findet sich einiges wieder! Also wieder schuldig geschieden: Bye-bye Kinder, Mammi war böse und wollte sich nicht weiter schlagen lassen… Aber das wurde modifiziert, wäre auch etwas peinlich in Anbetracht von Petry und Pretzell, die beide für einander die heilige Ehe verliessen – aber Moral ist bei denen, die sie predigen gerne was für die anderen.

Jetzt:
Nach einer Trennung muss es für beide Elternteile im Sinne des Kindeswohles gewährleistet sein, weiterhin an der elterlichen Sorge und dem Umgang gleichberechtigt teilzuhaben. […] Wir wenden uns entschieden gegen Versuche von Organisationen, Medien und Politik, Einelternfamilien als normalen, fortschrittlichen oder gar erstrebenswerten Lebensentwurf zu propagieren. Der Staat sollte stattdessen das Zusammenleben von Vater, Mutter und Kindern durch finanzielle Hilfen und Beratung in Krisensituationen stärken.“ Also, Anreize schaffen zusammen zubleiben – in dem Sozialleistungen gestrichen werden oder Gewalt in der Ehe wieder unter traditionelles Rollenverhalten gezählt wird? Oooops, steht da ja gar nicht und in Hinblick auf die vorige Variante, wie kann ich nur dadrauf kommen, tststs…

Das hier klingt aber wieder sehr nach altem Familienrecht, nur steht da Eltern. Die bundesdeutsche Realität ist aber immer noch die, das die Männer mehr Geld nach Hause bringen – und wer steckt dann zurück? Genau ^^ „Familie und Beruf sind nur vereinbar, wenn junge Eltern ausreichend Zeit haben, um ihrer Elternrolle und ihrer Erziehungspflicht gerecht zu werden.“

Die Willkommenskultur für Neu- und Ungeborene, vor allem die Ungeborenen ist ein weiterer Punkt – wenn Männer schwanger werden könnten, hätten wir wahrscheinlich seit Jahrhunderten ein weltweites Menschenrecht auf Abtreibung. Was passiert, wenn nicht nur Abtreibungen illegal sind, sonder auch noch jede Fehlgeburt hinterfragt wird kann man in diesem englischen Artikel nachlesen. In Polen gehen dieser Tage die Frauen wieder auf die Strasse, die neue Regierung diskutiert Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich verbieten. Die AfD teilt diese „Pro-Life“ Haltung.

Mag ich Abtreibungen? Nicht sonderlich, aber den Preis den Frauen zahlen, wenn Schwangerschaftsabbrüche wieder in die Illegalität getrieben werden ist zu hoch. Das kostet Leben, Frauenleben. „Dann sollen die weniger rumvögeln.“  war der Ausspruch dazu eines mir bekannten AfD-Wählers. Der Neid der Besitzlosen? Soviel Hass, soviel Wut, soviel Dummheit.

Diese Typen sollen uns jetzt vor einer „Islamisierung“ (ein relativ neues Steckenpferd der AfD) schützen? Zum Thema Islamisierung und Frauen: „Im öffentlichen Dienst soll kein Kopftuch getragen werden; in Bildungseinrichtungen weder von Lehrerinnen noch Schülerinnen in Anlehnung an das französische Modell.“ Wer fehlt in dem Bild der Bildungseinrichtung? Die Reinigungskräfte, auch genannt Putzfrauen. Aber wahrscheinlich zählen die nicht…

„Der Integration und Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen sowie der freien Entfaltung der Persönlichkeit widerspricht das Kopftuch als religiös‐politisches Zeichen der Unterordnung von muslimischen Frauen unter den Mann.“ Auch ich tue mich mit dem Kopftuch schwer, aber das ist ein anderes Thema. Es ist eine Angelegenheit, in dem Muslimas Unterstützung und nicht Abschottung benötigen, auch in dem wir das Kopftuch akzeptieren. Integration sollte nicht von einem Hauch Stoff abhängen. Trotzdem íst die Passage für mich unfreiwillig komisch: auf einmal ist Gleichberechtigung wichtig? Irgendwie kam das vorher bei mir nicht an.

Unsere von der AfD beschworene christlich-abendländische Leitkultur ist keine, die sich mit Frauenwahlrecht oder Zuwanderung, der Empfägnisverhütung und der Gleichstellung von Mann und Frau und Homosexualität leicht getan hat. Die europäische „Idylle“ vor noch 50 bis 100 Jahren war frauenfeindlich, bigott, restriktiv, rassistisch und nationalistisch. Viele Menschen sind daran zerbrochen. Unsere heutigen Rechte wurden hart erkämpft, sie wurden uns nicht geschenkt.

Unsere Lebensrealitäten als Menschen ungeachtet unserer sexuellen Neigungen, angeborenen oder gelebten Geschlechtern entsprechen nicht dem von der AfD vielzitierten traditionellen europäischem Bild. Und das ist gut so!

Eure
Steph
von
Miss Kittenheel

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